Dienstag, 7. April 2009

Ja, auch ich...

...habe Israel kritisiert, und nichts Gutes daran gefunden, dass eingemauerte Menschen unter Besatzung bombardiert, beschossen, mit allerlei grausamen Waffen traktiert werden. Ja, ich habe die Verhältnismäßigkeit angegriffen, und abgewogen, obwohl abwägen in solchen Situationen wie sie zwischen Israel und Palästina nun mal gegeben sind, äußerste Schwierigkeit bedeuten.

Ich habe mich bemüht, die Politik zu kritisieren, die Lügen, die Machenschaften und Machtspielchen, und eben nicht ein ganzes Volk - nicht einzelne Menschen. Ich habe Schreiberlinge erlebt, die alte Verschwörungsideen aufkochen - damit bin ich vorsichtig, egal ob es Theorien über die Juden sind, oder über andere in anderen Zusammenhängen. Doch auch in der verrücktesten und abgedrehtesten Fantasterei steckt oft ein kleines Korn Wahrheit - allerdings meistens nicht so, wie der 'Theoretiker und Fantast - der "Verrückte" sich das zurecht gelegt hat.

Da geht also ein Herr Leon de Winter her, und schreibt sich seinen jüdischen Ärger über die Kritiker an Israel herunter, in weiten Strecken schlicht pauschalisierend. Würde er nicht pauschalisieren, könnte er seine Vorwürfe ja nicht auf ganz Europa anwenden. Herr de Winter ist auch auf jenem Auge blind, das genauso das Fehlverhalten, die Lügen und Machenschaften der israelischen Politik erkennen sollte, wie jene der anderen.

Von Krieg und Gewalt, Metzeleien und Grausamkeiten kann sich niemand so einfach reinwaschen, auch dann nicht, wenn er es mit den Taten der Gegenseite aufrechnen will. Es funktioniert nicht, Mord ist Mord, Meucheleien und Abschlachtungen sind eben genau das, was sie sind, und nichts anderes. Da kann noch so viel Tqarnfarbe als Make up darüber gestrichen werden, das nützt nichts.

Genau das ist ja das Kreuz der Deutschen. Den Holocaust, den Hitlerismus, den Faschismus, das alles kann nicht übermalt werden, auch heute noch nicht. Inzwischen wollen das auch nur noch jene, die eben in diese Politrichtung einzuordnen sind. Die anderen bemühen sich teilweise redlich darum, nicht in die alten Fettnäpfe zu treten - und viele sind ehrlich damit befasst, der Geschichte die nun mal auf uns lastet, in positivem Sinne gerecht zu werden.

Wer aber so mit der heutigen Situation Israels umgeht, wie Herr de Winter, der kann es auch nicht sonderlich gut meinen - denn er verfestigt mit seinen Äußerungen eben das, was er zu bekämpfen vorgibt: Den Hass, den Krieg, die Gewalt. Er bezeichnet die Hamas, als Regierung in Palästina, als faschistisch, mit dem einzigen Willen, Israel zu vernichten. Seltsam, dass er übersieht, was inzwischen in Israel für eine Politik gemacht wird, wer dort regiert.

Die anderen Konflikte, die er erwähnt, und die wir nicht kritisieren wie er meint, sind für uns leider oft wenig durchschaubar, und sehr weit weg. Trotzdem entspringt Kritik - zum Beispiel an Israels Vorgehen, dem Friedenswillen. Ich gehe von mir aus, und ich kritisiere jeden Krieg, jede Unterdrückung im Namen irgendwelchen Terrors, egal in und von welchem Land auch immer so etwas ausgeht,- egal, wie es beantwortet wird, es ist immer die falsche Methode, und macht Menschen nur noch mehr fertig, als sie es sowieso schon sind.

Hass und Krieg, Mord im Namen einer feindlichen Politik, - nichts von alledem macht die Menschen auch nur um eine Spur besser. Es ist dabei eigentlich völlig egal, auf welche Seite sich Kritiker oder Befürworter schlagen. Es ist auch unwichtig, wer Freund oder Feind ist, das ist höchstens fürs direkte Überleben der Betroffenen massgeblich.

Einem Menschen, der ausserhalb des Ganzen lebt, den Wahn um die Terrorgefahr und die Verteufelungen aber mit ausbaden muss, weil im eigenen Land die Politiker sich gegen das eigenen Volk richten, das ja angeblich so gefährlich ist, ist es egal, wer wo steht, wenn er grundsätzlich für den Frieden und gegen Gewalt ist. Es ist einfach widerlich, was heuten noch alles abgeht an Hasspolitik, an Feindseligkeiten, die längst überwunden sein sollten, wenn wir alle wirklich so zivilisiert sind, wie wir das alle gerne vorgeben.

Ja, wir Deutschen - vielleicht auch viele Europäer - sind gefährlich, in userer Feigheit, in unserer Duckmäuser-Haltung, in der wir verharren, alles aussitzen, erdulden und still sind, auch dann, wenn welche dazu übergehen Gewalt zu verbreiten, und auf eine Weise anzugreifen und zu beschuldigen, die nicht angemessen ist. Aber, die Politik lebt es ihnen doch vor: Sie ist auch wenig angemessen, unterdrückerisch, mit falschem Zungenschlag wo es nur geht, mit Aufrüstung, ohne sich an Regeln haltend andere mit Mord und Krieg überziehend, und auch beim Vorgehen gegen die eigenen Bürger nicht zimperlich. Was Wunder, dass der Extremismus wieder aus den Ritzen kriechen kann?

Es fehlt an Vorbildern, wird so oft geklagt heute. Ja, denn die welche wir haben, taugen nur schlcht als solche. Feigheit befreit nichts, sich ducken bewirkt nichts, schweigen bewegt nichts - und das, was sich bewegt, ist nichts, das den Frieden bringt. Jeder, der so heftig anschuldigt, beweihräuchert seine eigene Selbstgerechtigkeit, da nehme ich uns nicht immer davon aus.

Wieviel besser wäre es, wenn alle Menschen miteinander auf dieser Welt in Frieden leben könnten. Leider schaffen wir das nicht einmal beim eigenen Nachbarn...
Warum sollte Israels Politik besser sein, als die anderer Länder? Weil es Juden sind, die dort leben? Weil sie es besser machen sollten, nach allem was war? --- Sie sind Menschen, wie wir auch, machen Fehler aus der Sicht anderer, sind genauso merkwürdige Politiker, wie jene bei uns auch, und woanders.

Genauso wie unsere Politiker kritisiert werden, auch von uns, genauso wie ein herr Karsai in Afghanistan kritisiert wird, für deren Politik - genauso habe ich Israel kritisiert. Nicht mehr, und nicht weniger. Viele andere Menschen haben das auch so gehalten, und nicht irgendwelchen Theorien oder Hasstiraden Raum gegeben. Die, welche das doch tun, sind eine andere Wellenlänge - und, dass es diese noch gibt, leider auch in der Politik, und immer wieder, ist ein Elend, das neues Elend gebären will.

An der Wirtschaftskrise sind verfehlte weltweite Politiken, genauso wie durchgeknallte Banker, und die Gier jener, die nie genug bekommen können, schuld - die Nationalitäten oder Abstammungen einzelner Beteiligter interressiert mich dabei wenig. Von Rassenwahn und Nastionalitäten-Zuschreibungen halte ich nicht viel.

Die angemessene Frage eines Menschen wäre doch: Wie kann ich dazu beitragen, dass das Leben auf dieser Erde ein wenig schöner, angenehmer ist,- und zwar für alle, denen ich begegne, mit denen ich zu tun habe, und letztendlich für alle mit denen ich leben muss? - Und, das sind eine Menge auf dieser Welt - somit hätte jeder genug zu tun.

Aber, diese Frage wird nicht gestellt, denn jeder wird auf sich selber zurückgeworfen in heutigen Zeiten. So viel an guten Impulsen wird abgeschmettert, so viel an potentiellem Mitgefühl - an Liebe auch für die anderen - wird in die Menschen zurückgestopft, bis sie daran fast ersticken. Und, wer sich doch etwas traut, wird nach Strich und Faden fertig gemacht.

Das sind die Vorbilder, und genauso ist unsere Welt auch beschaffen. Davon nehme ich fast keinen aus, in unseren westlichen Gefilden. Doch genauso, wie ich das kritisiere, sehe ich auch die Entwicklung in Israel, mit Grauen und schweren Bedenken - die sich inzwischen zu bewahrheiten scheinen. Es wird keinen Frieden geben... Schade, oder?

Und hier nun der Artikel des besagten Herrn Leon de Winter:

http://www.zeit.de/2009/15/Oped-Gaza


Meinung

Besessen vom Leid

Europa hätschelt die Palästinenser und dämonisiert Israel, um sich von seiner Schuld am Holocaust zu befreien

An der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem Sudan sind in den vergangenen Wochen mindestens ebenso viele Menschen der Gewalt zum Opfer gefallen wie bei den jüngsten israelischen Operationen in Gaza – und doch beschäftigt der Terror in Afrika die europäischen Medien höchstens am Rande. Offenbar haben die Palästinenser etwas, das den Kongolesen und Sudanesen fehlt. Etwas, das ihnen die geballte Aufmerksamkeit der europäischen Medien beschert.

Anders auch als die Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Palästinenser sich ihren Status als Dauerflüchtlinge erhalten. Bis heute, sechzig Jahre später, werden Palästinenserstädte als Flüchtlingslager bezeichnet; inzwischen tragen vier Generationen von Palästinensern von Geburt an das Etikett »Flüchtling«.

Die Palästinenser in Gaza haben eine religiös-faschistische Partei gewählt, deren erklärtes Ziel die Vernichtung der Juden ist. Voller Enthusiasmus versprach Hamas Krieg und Märtyrertum mit Slogans wie »Palästinenser lieben den Tod mehr als das Leben« oder »Kein Opfer ist zu groß, um Israel zu vernichten«.

Nun gab Israel den Bewohnern von Gaza das, was diese sich angeblich mehr als alles andere wünschen: eine Gelegenheit, heldenhaft Widerstand zu leisten und Juden zu töten. Doch statt ihre tiefe Befriedigung über diese Chance zu äußern, schrien die Palästinenser auf, sie würden mit unverhältnismäßiger Härte behandelt, und den Juden müsse das Schießen auf Frauen und Kinder verboten werden. Dieselben Leute, die Gewalt und Krieg forderten, zeigten den Medien, wie brutal sie von den Juden angefasst wurden.

Als der Palästinenser Sami Kuntar, der 1979 einem vierjährigen Mädchen mit dem Gewehrkolben den Schädel eingeschlagen hatte, im vergangenen Juli von Israel freigelassen wurde, gratulierte Hamasführer Ismail Haniya Kuntar zum »großen Sieg im Widerstand; der Beweis, dass unser Weg richtig ist«.

Jahrelang hat Hamas Raketen auf Israel abgefeuert, doch die europäischen Medien zuckten nur mit den Schultern. In einem blutigen Bürgerkrieg vertrieb Hamas die sogenannte gemäßigte Fatah aus Gaza; die Medien reagierten gelangweilt. Jeden Tag prophezeien die Hamasführer Israel einen qualvollen Untergang; Europa gähnt. Und wenn die Provokation für Israel unerträglich wird und es gegen Hamas zurückschlägt, mit einem Bruchteil der Gewalt, die diese Organisation gegen Israel einsetzen würde, wenn sie nur könnte, dann treffen die Reporter sich auf dem Flughafen Tel Aviv, um vom grausamen Tod von Frauen und Kindern zu berichten.

Was an den Palästinensern fasziniert die Europäer dermaßen, dass viel schrecklichere Konflikte, Putins Zerstörung von Tschetschenien etwa, daneben völlig verblassen?

Die Antwort: Der Feind der Palästinenser ist zugleich Europas Obsession, nämlich der Jude. National und ethnisch zersplittert, wie Europa war und ist, galt dem Europäer der Jude, wie der umherziehende Zigeuner, als undurchschaubar und gefährlich. Judenhasser fürchteten sich vor dem Juden, denn der war clever und passte sich leicht an, war dem hebräischen Stamm jedoch loyal verbunden. Alles Übel auf der Erde ließ sich aus den Machenschaften des Juden ableiten – Antisemitismus ist die ultimative Verschwörungstheorie. Von Europa aus hat der Judenhass sich auf der ganzen Welt ausgebreitet. In einer Zeit der Globalisierung, mitten im Wirtschaftschaos, muss der intrigante Jude sogar in Ländern ohne Juden als Erklärung des Bösen und Bedrohlichen herhalten.

Die Ausrottung der europäischen Juden war die Konsequenz eines Prozesses, der 1000 Jahre zuvor begonnen hatte. Und bis heute hat Europa die Konsequenzen des Holocaust nicht verarbeitet. Im Gegenteil, seit Jahrzehnten fühlt der Kontinent sich von den Juden erpresst. Europas Sympathie für die Palästinenser hat wenig mit deren elenden Lebensbedingungen zu tun. Europa liebt die Palästinenser, weil es sich auf diese Weise von seiner Schuld am Massenmord frei machen kann.

In den sechziger Jahren hatte Jassir Arafat, ein korrupter Warlord alter Schule, die Idee, die Sache der Palästinenser in antiimperialistische Rhetorik neu zu verpacken und Palästina so auf die Tagesordnung der europäischen Intelligenzija zu setzen. Als christliche Milizen 1982 unter den Augen der israelischen Armee in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila Massaker verübten, wurde zum ersten Mal Kritik an den Juden laut, seit 1945 ein Tabu in der europäischen Öffentlichkeit. Die erste Intifada mit ihren Bildern von steinewerfenden Palästinensern und schwer bewaffneten jüdischen Soldaten beherrschte die Weltpresse und machte den Weg zur Verleumdung Israels frei. Schritt für Schritt wurde daraus ein Angriff auf jüdische Arroganz und, noch wichtiger, ein Angriff auf den israelischen und jüdischen Missbrauch der Erinnerung an den Holocaust.

Verantwortungsbewusste europäische Politiker – und von ihnen gibt es zum Glück viele – sind sich der Gefahren des islamischen religiösen Faschismus bewusst, und trotz des von Teilen der Medien ausgehenden massiven Drucks bemühen sie sich um eine ausgewogene Perspektive. Kein anderer Konflikt jedoch, möge er auch Hunderttausende Opfer fordern, heizt europäische Emotionen derart an wie der israelisch-palästinensische. Europa ist besessen davon.

Die europäischen Medien betrachten Israels Abwehrhandlungen wie unter einem selektiven Vergrößerungsglas; dieses Verfahren ermöglicht es ihnen, die Erben der Opfer, die Europas obszönstem Hass – dem Antisemitismus – zum Opfer fielen, als Bösewichte darzustellen und Europa endlich von seinen toten Juden zu befreien.

Wer auch nur einen Hauch von Gewissen und Geschichtskenntnissen hat, weiß eins genau: Selbst wenn Tausende Unbeteiligter in Gaza gestorben wären, könnte man das nicht mit dem Massenmord an den Juden in Nazideutschland gleichsetzen, und trotzdem werfen linke und muslimische Protestierer und Kommentatoren ununterbrochen mit Begriffen wie »Holocaust« und »Nazi« um sich, wenn sie Israels Antwort auf den Terrorismus von Hamas beschreiben. So verharmlosen sie den Nationalsozialismus und unterstellen indirekt, die Juden mit ihrer Hinterhältigkeit treffe im Grunde eine Mitschuld an ihrem Leiden unter der Naziherrschaft.

Sicher wäre es falsch, alle Europäer des unsinnigen Judenhasses zu bezichtigen, doch gibt es in Europa ein starkes altes Ressentiment. Laut einer neuen Umfrage der Anti-Defamation League (ADL) in sieben europäischen Ländern glauben 31 Prozent der Erwachsenen, die Juden in der Finanzindustrie seien für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Aus der Erhebung geht auch hervor, dass Kritik an Israel und die Einstellung zu den Juden zu Synonymen geworden sind: 58 Prozent der Befragten erklärten, sie würden die Juden wegen der israelischen Politik jetzt stärker ablehnen. Die ADL fragte diese Europäer nicht, ob sie auch die russisch-orthodoxe Kirche ablehnen, weil die russische Armee Grosnyj zerstört hat.

Europa dämonisiert Israels sechs Millionen Juden, obwohl sie sich nur gegen einen von blindem religiösen Hass angetriebenen Feind wehren. Darin drückt sich sein brennender Wunsch aus, endlich die sechs Millionen Toten loszuwerden. Europa wird den Juden die Bürde von Auschwitz nicht verzeihen. Deshalb sind die Hunderte Toten von Gaza für Europa so viel bedeutsamer als die Millionen Toten von Darfur und im Kongo. Wie andere Menschen auch haben die Juden nicht viel aus der Geschichte gelernt, aber eins wissen sie genau: Sie wiederholt sich.

Leon de Winter lebt als Schriftsteller in Amsterdam und Los Angeles. Seine Eltern entkamen dem Holocaust

Aus dem Englischen von Elisabeth Thielicke


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen