Sonntag, 5. April 2009

Das Lächeln der Schächter wird erwidert

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Das Lächeln der Schlachtbank

Samstag, 4. April 2009

Wir sind eine europäische Blindengesellschaft, taub noch dazu. Unsere Wahrnehmung scheint begrenzt, Sinneseindrücke spärlich, gar nicht mehr dazu tauglich, daraus einen rationalen Akt zu entwickeln. Immer wieder starren wir der Sophisterei und der Hinterlist in die Augen, fixieren das uns friedvoll Anlächelnde, sich kurz darauf ins Fäustchen Lachende, erkennen aber nicht, woran wir sind; wir vernehmen Worte, die vielleicht sogar Einzug in Gehirnwindungen finden, aber keinerlei Reflexe auslösen, keine Denkprozesse anstoßen. Wir sind blind und taub, wir sind behindert durch jahrelange Konditionierung seitens einer schrillen Unterhaltungsmedienwelt, die Farben und Spektakel liefert, aber das Denken nicht fördert und anstößt, das Denken sogar abstellt.

Der Präsident der Vereinigten Staaten tritt auf. Er polarisiert die Jugend dieses Kontinents, läßt sie zu ihm pilgern wie zu einem Propheten. Für sie ist er ein Messias, die Offenbarung einer medienlasziven Zeit, in der nicht politische Inhalte und Ideale maßgeblich sind, sondern oberflächliche Betrachtungsweisen. Er ist die Offenbarung einer Zeit, die von sich selbst behauptet, sie hätte die gröbsten Rassismen der menschlichen Gesellschaftsentwürfe überwunden, um gleichzeitig einen Präsidenten nur deshalb zu feiern, weil er schwarzer Hautfarbe ist. Der am Teint gemessene Präsident läßt die Kindlein zu sich kommen, tritt vor europäischen Jugendlichen auf, hält enthusiastische Reden für sie, reißt sie mit, wird seinem Ruf als lebende Ikone gerecht. Stunden warteten die jungen Menschen auf ihn. Europäische Jugendliche mit Geduld, die Parolen aus einem konzern-amerikanischen Wahlkampf nachbeten, als seien es die Weltverbesserungsformeln schlechthin, als sei dieses Gemisch aus Schlagworten und Worthülsen das Amen unserer Zeit.

Die jungen Menschen sind begeistert. So haben es sie die Medien gelehrt: stets begeistert sein, wenn eine Veranstaltung, ein Happening, bunt, emotional und schrill ist. Bodyguards, endlose Kontrollen, Wachpersonal und Polizei, dazu ein ausufernder Medienapparat – das alles beeindruckt junge Menschen, und aus einer schalen Zeremonie für Europas Jugend wird urplötzlich ein gigantisches Mega-Event, etwas Begeisterndes, was man nicht kritisieren kann, weil der Protz und die Gloria jeden kritischen Verstand erschlagen haben, jede negierende Kritik des sinnlich Wahrgenommenen verbietet. Nach dem Muster, das aus jedem zum Protz aufgeblasenen Casting- und Realityshow-Gossenhauer etwas ebenso Erhabenes und Unberührbares macht, etwas Sakrosanktes, das ebenso über jede Negation erhaben ist.

Und gleichzeitig lehnt sich jener Messias aus dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten weit über seine Kanzel, und bittet um Europas Jugend, bittet um mehr Soldaten vom alten Kontinent, um weiterhin den Mittleren Osten okkupieren, eine effektivere Besatzungsmacht darstellen zu können. Dabei jubeln sie ihm zu, diese Schafe; unkritisch blöken sie, und er wetzt schon das Messer oder Beil, will einige dieser Lämmchen auf die Schlachtbank führen, deren Blut zumindest theoretisch-möglich opfern; dieses Blut, das so heiß in Wallung geriet, als er europäischen Boden betrat und damit Europas johlende Zukunft um den Verstand brachte. Seines Vorgängers Egozentrik, dessen rücksichtsloses Cowboy-Gebaren entschuldigt er dezent, bittet Europa um Annäherung, bittet die NATO um Rückhalt, obwohl es der nicht gewählte Amtsvorgänger war, der sich um NATOs Ansicht wenig kümmerte. Nicht die USA alleine müßten heranrücken, sondern auch alle anderen; nicht die USA müßten die Alleingänge des Vormaligen mit Annäherung an die einst Stehengelassenen bezahlen, sondern die Stehengelassenen sollen sich gefälligst auch bewegen. Die Reue einer Weltmacht bereuen meistens jene, die vormals nicht reuig genug waren, jeden Irrsinn bis zum bitteren Ende mitzutragen.

Und so einem Sophisten händigen wir unsere Kinder aus, so einem Scharlatan, der Europas Jugend einlullt mit seinem Propagandasprüchen, mit seinen Wahlkampfparolen, mit seinem Image als Präsident aus einer Minderheit, der er niemals angehört, in deren Wohngegenden er niemals gelebt hat. Einem Charmebolzen mit der Gabe des herzergreifenden Lächelns treiben wir die jungen Menschen zu, damit er ihnen Märchen von einer besseren Welt erzählt, die aber nur dann entstehen könne, wenn erstmal noch mehr westliche Uniformen in Weltgegenden herumlaufen, in denen sie nichts zu suchen haben. Er führt sie ganz ungeniert auf seine Schlachtbank und sie schreien ihm zu, dass sie es könnten, yes we can! – und er kann es auch, und wie! Er kann und macht das, was er schon vor seiner Präsidentschaft verkündete, wovon die Medien des alten Europa aber nichts mehr wissen, wovon sie komischerweise nicht mehr berichten: er verlagert die US-amerikanischen Interventionen auf den europäischen Steuerzahler. Und was noch viel schlimmer ist: er verlagert die US-amerikanischen Weltkontrollgelüste auf Europas Jugend. Sie soll ihm erst andächtig zuhören, bevor sie in fernen Ländern bluten darf.

Wir sind blind und taub, wir sind an unserem Harmoniebedürfnis erblindet, es behindert uns. Die Eliten aus den Industrieländern dieser Welt, führen ständig Menschen auf Schlachtbänke, lullen sie davor ein, ködern sie mit Versprechen. Am Ende erkennt man noch kurz das heranrauschende Beil, nun hektisch um sich blickend auch noch einige lächelnde, wohlwollende Gesichter, die das Beil leugnen, es ignorieren und zur Sorglosigkeit aufmuntern, es würde schon alles gut gehen. Aber irgendwann spürt man instinktiv, dass da ein Beil im Nacken droht, aller erzwungenen Gelassenheit zum Trotz. Die Frage ist nur, wann man diesem Instinkt traut – Europas Jugend hoffentlich nicht zu spät. Aber solange Springer und Konsorten lächelnd am Schafott stehen, fällt es den jungen Blutopfern freilich schwer, hinter einem Lächeln eine Teufelstat zu vermuten.

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